Frauen* in der Politik


Warum Sexismus nicht vor dem Wahlkampf halt macht

Spätestens seit Angela Merkel Bundeskanzlerin geworden ist, dachten viele, dass der Sexismus in der Politik überwunden ist.
Doch die Realität sieht leider anders aus: Pünktlich zum Bundestagswahlkampf gehen gefälschte Nacktfotos von Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock durchs Netz. Des Weiteren gibt Kanzlerkandidat Armin Laschet in einer Brigitte-Talkrunde bekannt, dass ein Mann die Gleichberechtigung der Geschlechter vielleicht sogar besser durchsetzen könnte als eine Frau.

Mit Frauen* sind alle FLINTA-Personen gemeint, also alle Frauen, Lesben, Nicht-Binäre-, Trans- und Agender-Personen.  

„Sehen sie sich als Powermann?“

Wie lächerlich solche Fragen sind, merkt man oft erst, wenn man sie einmal umdreht. Annalena Baerbock wurde mit genau solchen Fragen konfrontiert, nachdem ihre Kanzlerinnenkandidatur bekannt gegeben wurde.

So wurde sie beispielsweise bei Anne Will gefragt, ob sie als "Quotenfrau" an ihre Stellung als Kanzlerkandidatin gekommen sei. 

Die Autorin Mia Latkovic hat die verschiedenen sexistischen Fragen, die der Grünen-Politikerin gestellt wurden, in einem Instagram Post zusammengefasst. Doch dieses Mal richteten sie sich an die männlichen Kanzlerkandidaten.

Die Unbeugsamen

Um zu verstehen, warum Sexismus tief in den Strukturen unserer Gesellschaft verankert ist, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit.

Ein Beispiel: Vergewaltigung in der Ehe ist erst seit 1997 strafbar, also gerade mal seit 24 Jahren.

Dass vergewaltigende Ehemänner nicht mehr frei von Konsequenzen sind, verdanken wir Politikerinnen wie der Grünen-Abgeordneten Waltraud Schoppe. Sie forderte 1983 im deutschen Parlament in einer Rede die Bestrafung der Vergewaltigung in der Ehe und die Einstellung des „alltäglichen Sexismus im Parlament“. Daraufhin gab es Gelächter und Zwischenrufen wie: „Du willst es doch nur besorgt bekommen“.

All diese Szenen hat der Journalis Torsten Körner zu einem Dokumentarfilm verarbeitet. Dort portraitiert er die Geschichte der Frauen in der Bonner Republik, die sich ihre Beteiligung an den demokratischen Entscheidungsprozessen erst erkämpfen mussten. Damit haben sie den Weg für die Politikerinnen nach ihnen geebnet.

Dieses diskriminierende Verhalten tritt auch heute noch viel zu häufig auf. Verwunderlich ist es nicht, denn wir wurden alle in einer Gesellschaft sozialisiert, in der über Altherrenwitze gelacht und Frauen* oftmals nicht ernstgenommen werden.

So machte Christian Linder auf dem FDP-Parteitag einen anzüglichen Witz über seine Parteikollegin, die Generalsekretärin Linda Teuteberg. Er habe 300 mal seinen Tag mit Teuteberg begonnen, erzählte er, um nach einer Kunstpause für die Lacher nachzulegen: „Ich spreche über unser tägliches, morgendliches Telefonat zur politischen Lage. Nicht was ihr jetzt denkt.“

Diese Art von „Witzen“ ist nicht nur unlustig, sondern auch demütigend für die Betroffenen.
Gerade junge Frauen* werden in der Politik oft nicht ernst genommen. Das erschwert ihnen den Einstieg und Aufstieg in der Politik.

Junge Frauen* in der Politik

Amina Kanew (die Linke) ist Statdvertreterin in Neubrandenburg und kandidiert für den Bundestag. Sie berichtet in einem Interview mit der Zeit, dass sie vor zwei Jahren als einzige Frau für eine Kommunalwahl zu einer Podiumsdiskussion eingeladen war. Sie trug ein T-Shirt mit der politischen Botschaft: Kein Mensch ist illegal.
Noch bevor die Veranstaltung begann, sagte der CDU-Kandidat zu ihr: Du trägst das T-Shirt doch nur, damit man dir auf die Brüste schaut!

Zudem ist die Politikerin auf Social Media Sexismus und Hass ausgesetzt. Beispielsweise schreiben ihr Männer, man solle sie mit einem Bügeleisen bewerfen oder gleich begraben.

Auch Bela Bach (SPD), die mit 30 Jahren aktuell die jüngsten Abgeordnete im Bundestag ist, berichtet von Sexismus in der Politik. Die ersten Wochen im Bundestag haben die Politikerin schockiert. „Wenn ich mit Kollegen sprach, wurden meine Argumente manchmal übergangen. Wies ich darauf hin, dass ein männlicher Abgeordneter dasselbe glaube, wurde plötzlich doch diskutiert“. Als sie Unterstützung für ein Projekt brauchte, schrieb sie einem Abgeordneten aus ihrer Fraktion. Dieser bot ihr an sie zu unterstützen, wenn sie sich im Gegenzug auf ein privates Treffen mit ihm einließe.

Der Frauen*-Anteil im Bundestag

liegt Stand 2021 bei nur 31,5%. Repräsentativ sieht anders aus.
Dabei variieren die Anteile von Partei zu Partei sehr stark. So haben die Grünen mit 56,7% den höchsten Frauen*-Anteil, dicht auf folgt die Linke mit 53,6%. Das Schlusslicht bilden CDU mit 20,7% und die AfD mit 10,2%.

Wo Macht ist, ist auch Sexismus. Laut dem Soziologin Raewyn Connell ist sexualisierte Gewalt – ob verbal oder physisch – sowohl ein Ausdruck von Ungleichheit, als auch ein Mittel um die Ungleichheit fortzusetzen.

Frauen* die sich nach sexistischen Bemerkungen im Bundestag oder Hasskommentaren im Netz zurückziehen, stellen keine Konkurrenz mehr da. Infolgedessen verstummt ihre politische Stimme.

Deshalb ist es wichtig, sich dem Sexismus immer entgegenzustellen, egal ob in der Öffentlichkeit oder im Privaten. Das ist ein Ziel, dass wir nur gemeinsam als bunte, vielfältige Gesellschaft erreichen können.

Habt ihr schon von Sexismus in der Politik gehört?
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Naomi Asal